Metaphern in der Geschichtswissenschaft
Leandra Pronesti, 28-6-2001, Seminar Metapher
und Kommunikation in der Wissenschaft
Otto Ulbricht,
Mikrogeschichte: Versuch einer Vorstellung, in: Geschichte
in Wissenschaft und Unterricht 45, 1994, S. 347-365.
Zielpublikum: LehrerInnen/Laien
Otto Ulbricht: * 1944,
Prof. für Geschichte Uni Kiel,
Mikrohistoriker.
Mikrogeschichte: Versuch einer Vorstellung
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Makro- vs. Mikrogeschichte
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Mikroskop
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kleinste Einheit = Mensch
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regional
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zeitl. Grenzen, Kritik
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Ziel: Geschichte auf Ebenen
Geschichtswissenschaft und Bild/Metapher:
Stefan Zweig, Geschichte als Dichterin, in: Ders., Zeit
und Welt, Frankfurt/M. 1981
Alexander Demandt, Metaphern für Geschichte, München
1978
"Aber manchmal, genau wie die Natur ohne menschliche Beihilfe
oft makellose Kristalle in ihrem Schoss bildet ó manchmal treten innerhalb
der Geschichte einzelne Episoden, Menschen und Epochen uns entgegen in
solcher Höchst-spannung, in so dramatischer Fertigbildung, dass sie
als Kunstwerk unübertrefflich sind und in ihnen die Geschichte als
Dichtung des Welt-geistes die Dichtung aller Dichter und jeden irdischen
Geist beschämt." (Zweig, S. 168)
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"sich ein Bild von der Geschichte machen"
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"der Strom der Geschichte"
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"der Fluss der Zeiten"
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"das Rad der Geschichte"
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"die Rolle eines Protagonisten"
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"die Bühne der Geschichte"
Metaphern(Lakoff/Johnson) im Text:
I. Konventionalisierte Metaphern der Geschichte:
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des Theaters (Bühne, Programm, Marionette)
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der Bewegung (Fluss, Strömung)
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der Architektur (Haus, Stockwerke, Zimmer)
"Eine technizistische Sprache ist jedoch nicht unbedingt
angemessen, wenn die Erfahrungen und Gefühle von Menschen aus Fleisch
und Blut in der Vergangenheit dargestellt werden sollen."
(Ulbricht, S.357)
II. Leitmetapher der Geschichtswissenschaft:
Blick auf das Geschichtsbild
d.h. das Geschichtsbild ist ein begrenztes Objekt, unser
Sichtfeld ein Gefäss
III. Metaphern des Geschichtswissenschaftlers
Historiker als
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Fallschirmspringer (weiträumige Sicht auf Konturen,
Bergeshöhen)
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Pilzesucher (Sicht auf den Waldboden, Suche nach Schätzen)
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Detektiv (Sicht auf Indizien, Spurensuche)
Mikrogeschichte
Kohärenz in der visuellen Suche (nach markanten Erhebungen,
nach Wertvollem, nach Details)
Problem: Vermischung der Detektiv-Metapher mit Arzt-
oder Jäger-Metapher-Ansätzen, v.a. aber mit der Naturforscher-Metapher
(Mikroskop, Analyse)
Leitmetapher "sehen" mit Ausarbeitungen im Bereich der Vorgehensweise
während (Mikroskop) und nach der "Sichtung" (Analyse; gr. Auflösung).
Paradigmenwechsel(Kuhn) bei Ulbricht:
Vom Strukturenparadigma über das Kulturparadigma zum
Indizienparadigma.
Das Indizienparadigma:
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symbolische Generalisierungen werden weggelassen: vielmehr
Fallstudien
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Modell der "Sicht" auf Geschichte bleibt
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Werte werden ausgetauscht: Mensch hat auch Einfluss auf Strukturen/Kultur
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paradigmatische Beispiele werden ersetzt durch z. B. Erzählungen
über ein Individuum
aber: Ulbrichts Bemühen um ein Verhältnis zwischen
Synthese und Detail
Frage: Ist Ulbrichts Ziel einer Geschichte auf verschiedenen
Ebenen nicht vielmehr eine Çpostparadigmatischeë Methodensituation?
Kognitive Metaphern (Jackendoff):
"spatial expressions" als Basis für Zeit/Besitz:
z.B. "aus dem London des 17. Jahrhunderts"
"jede Gesellschaft besitzt eine Vorstellung"
[State
BEPoss([ Vorstellung]
), [PlaceATPoss([
Ges.] )] )]
)